27.08.2017 - immer Richtung West

Gestern bereits haben wir das Louisiana Territorium betreten, heute werden wir es durchqueren. Ein Fahrtag steht auf dem Programm. War ja klar, dass dies bei einer Kontinentalquerung einmal wird passieren müssen. Auch wenn wir nicht den ganzen Kontinent queren werden. Aber wir wollen mal nicht so sein.

Auch heute gilt, der Weg ist das Ziel und auf diesem Weg gibt es auch heute geschichtliche Ereignisse die verarbeitet werden müssen. Da wäre das erste Ziel des Tages, Frühstück fassen. Zugegeben ist kein geschichtliches Ereignis, dafür aber essential wichtig. Unser Motel, das Green Country Inn in Henryetta hat leider außer Kaffee und Marmeladentoast nicht viel mehr zu bieten und wir wollen wieder einmal richtig Frühstücken. Gut das mittlerweile am Wegesrand wieder vermehrt Dennys unseren Weg kreuzt. Je weiter wir in den Westen kommen um so häufiger trifft man ihn an. Das Frühstück dort ist wirklich gut, reichlich und günstig. Da gibt es keine zweite Meinung.

Zweiter Anlaufpunkt des heutigen Tages wird Oklahoma City, oder besser das Landrun-Monument vor den Toren der Stadt.

Oklahoma Landrun

Der Oklahoma Land Run führte am 22. April 1889 zur Besiedlung der Westhälfte des letzten Indianer-Territoriums durch Siedler. Der Platz im Osten ist halt irgendwann dann doch zu klein geworden. Eigentlich kaum zu glauben, wenn man die Größe des Landes sieht.

Der größte Teil des übrig gebliebenen Indianerterritoriums in der Region von Oklahoma war bis dahin vorwiegend Stammesgebiet der Fünf zivilisierten Nationen, der Indianervölker der Cherokee, Chickasaw, Choctaw, Muskogee und Seminolen. Diese Stämme waren gewaltsam aus ihrer angestammten Heimat (ihr erinnert euch an die vorhergegangen Tage) in das als unwirtlich geltende Oklahoma-Territorium zwangsumgesiedelt worden, wo sie das Land mit ansässigen Stämmen teilen mussten. Man hatte hier den Indianern versprochen sie siedeln zu lassen und ihnen dieses Land nicht streitig zu machen. Noch 1880 war von der US-Regierung die Besiedlung des Gebiets durch europäische Kolonisten verboten worden.

Dennoch kam es immer wieder zu Grenzüberschreitungen durch Siedler, denen die Behörden keine nennenswerten Konsequenzen entgegensetzten. Um weitere Besiedlungen zu legalisieren, kam es ab 1885 zu Verhandlungen mit den Muskogee und Seminolen, die letztlich 1889 zur Freigabe von etwa 2 Millionen Acre (≈ 8.094 km²) Land führten.

Der Oklahoma Land Run war die Folge der dementsprechend erfolgten Unterzeichnung einer Proklamation von US-Präsident Benjamin Harrison am 23. März 1889 (kaum drei Wochen nach seiner Amtseinsetzung). Diese Erklärung trat einen Monat später, am 22. April in Kraft.

Schon in den Tagen zuvor hatten einige Siedler illegal die Grenze übertreten und heimlich claims für sich abgesteckt. Nach diesen „Soonern“ erhielt der spätere US-Bundesstaat Oklahoma seinen Beinamen The Sooner State.

Jetzt aber zum eigentlichen Vorgang, dem Landrun. Eine fast unvorstellbare Geschichte. Am Vormittag des 22. April versammelten sich ca. 50.000 der neuen Siedler an der Grenze zum Cherokee-Outlet. Nach dem Startschuss um 12 Uhr Mittags begann das Wettrennen um ein möglichst gutes Stück Land in diesem Gebiet. Ausgesteckt waren 160 Acres (ca. 650.000 m²) große Parzellen. Wer zuerst seine Fahne in den Boden rammte, dem gehörte die Parzelle.

Kann man sich vorstellen, was da los war. Jeder versuchte der erste zu sein und das beste Stück Land abzukriegen. Einfach unvorstellbar, aber es war für viele Siedler die einzige Chance um an ihr eigenes Land zu kommen.

Das Monument vor den Toren von Oklahoma City zeigt mittels überlebensgroßer Figuren den Augenblick des Starts. Viel mehr ist hier dann auch nicht zu sehen, aber trotzdem ist alleine die Vorstellung was damals hier los gewesen war und was in den Köpfen der Menschen vorgegangen sein muss, den Weg hierher wert.

Wie schon den ganzen Urlaub über fällt uns auch hier auf, die Geschichte ist erst 128 Jahre her. Das spielte sich nicht in irgendeiner Urzeit hier ab, sondern im Prinzip vorgestern. Man fängt an zu verstehen, wenn Amerikaner ein anderes Verständnis bei vielen Themen an den Tag legen.

Aber auch hier gilt, der Treck muss weiterziehen. Unser Treck, bestehend aus uns Dreien und einem Nissan Pathfinder. Was sind wir froh, dass mittlerweile die Wege in den Westen besser ausgebaut sind als vor 130 Jahren. Auch wenn ich das Gefühl habe in Oklahoma lässt die Qualität der I40 merklich nach.

Aber nicht deswegen verlassen wir die I40 wieder, sondern um einen Platz für ein Picknick zu finden. Außerdem fahren wir gerne etwas durch die Walachei, schon alleine um die Gegend noch besser kennen zu lernen.

Das wäre die I40...

...und so sieht es dann etwas abseits davon aus. Wir fuhren in Richtung Norden zum Washita Battlefield National Historic Site.

Washita Battlefield

Am 27. November 1869 griffen die US-Truppen von Lt. Col. George Armstrong Custer (Ja, genau jener Custer vom Little Bighorn) das Lager der friedlichen Cheyenne am Washita River, dem heutigen Oklahoma an. Dieser Tag sah eines der größten Tragödien der Geschichte zwischen Amerika und den Plain Indianern.

Der Angriff wurde von den Weißen die Schlacht am Washita und von den Indianern das Massaker am Washita genannt. Schon daran kann man die unterschiedliche Sichtweise der Dinge erkennen. Im Grunde wollten die Indianer hier ihre Lebensweise leben. Man hatte ihnen versprochen dies hier in diesem Gebiet tun zu können. Natürlich hielten sich die Weißen nicht daran und die Anführer der Indianer wurden auf schwere Proben gestellt. Sollten sie mit den Weißen verhandeln oder Krieg führen. Ein Teil der Stämme entschieden sich für Frieden und Verhandeln, andere fürs kämpfen.

Es ist der Hohn der Geschichte das ausgerechnet die Cheyenne, dessen Häuptling Black Kettle sich für Frieden entschieden hatte von Custer angegriffen und vernichtend geschlagen wurde. Am Washita River wartete Black Kettle auf das Friedensangebot von General Philip Sheridan und war nicht darauf vorbereitet angegriffen zu werden. Dies nutzte Custer aus.

Männer, Frauen und Kinder wurden aus dem Schlaf gerissen und ermordet. Erst nach einiger Zeit griff Custer ein und ließ nur noch die Männer erschießen. Frauen und Kinder wurden gefangen genommen. Auch über 800 Ponys der Indianer wurden hier erschossen und liegen gelassen. Nichts sollte den Indianer bleiben.

George Armstrong Custer starb am 25. Juni 1876 am Little Bighorn im Kampf mit Indianern der Stämme Dakota, Lakota-Sioux, Arapaho und Cheyenne. Auch das Massaker am Washita war ein Grund warum ihn die Indianer bis zu seinem Tode verfolgten.

die ehemalige Bahnstrecke am Washita River

Noch einmal zum Thema Zeit. Eagle Nest (Adlernest) auf dem Bild verstarb 1948 und war der letzte Überlebende des Massaker am Washita River. Theoretisch hätten also meine Großeltern mit ihm noch über die Vorgänge während des Überfalls persönlich sprechen können. Wie gesagt, solange ist das alles noch gar nicht her. Das überrascht uns einfach immer wieder.

Das war also unser Fahrtag. Ihr seht also auch ein Fahrtag kann durchaus Spannung beinhalten.